Wir lassen die Laguna de Mar Chiquita hinter uns (siehe letzten Beitrag). Es ist schwül. Die Luftfeuchtigkeit lastet schwer, dunkle Gewitterwolken mit riesigen Blitzen folgen uns auf der Strasse. Glücklich erreichen wir eine Tankstelle und können im letzten Moment unser Auto unters Dach stellen, als bei Medialunas und Cafe ein Hagelgewitter, gefolgt von kräftigen Regengüssen niedergeht.
Italienische Wurzeln
Kilometerlange Allee bei Colonia Caroya (Bild: Ueli Bugmann)
Unser nächstes Ziel ist die Stadt Cordoba, und wir machen Zwischenhalt in Colonia Caroya. Schon die Einfahrt zur Stadt ist sehenswert. Eine kilometerlange Baumallee säumt die Hauptstrasse, die Wipfel treffen sich in der Mitte, was eine angenehme Kühle verbreitet, die man in diesem heissen Klima gerne schätzt. Die Gründung von Caroya Ende des 19. Jahrhunderts geht auf Italiener aus dem Friaul und aus Udine zurück. Berühmt ist die Stadt für ihren Rohschinken, die Salami, die Bondiola, den Käse und einen sagenhaft guten Wein. Der Wein hat einen typischen Himbeergeschmack, ist sehr fruchtig und wird überall in den Restaurants gerne getrunken. Viele Häuser besitzen Keller, welche in Handarbeit Spaten um Spaten ausgehoben wurden. Dort lagern die feinen Wurstwaren, welche ohne Konservierungsmittel hergestellt werden. Man riet uns, nicht einfach am Strassenrand zu kaufen, sondern nach diesen Kellern nachzufragen. Wir erkundigen uns deshalb beim ACA (siehe früheren Beitrag) und wenig später degustieren wir bei einem Anbieter alle Wurstwaren kreuz und quer. Leider muss ich beim Wein passen, wir haben noch einige km vor uns. Wir kaufen aber ein paar Kisten Wein und sparen auch nicht bei Salami und Rohschinken. Letztere müssen wir aber gut verstecken, denn die Einfuhr von Fleisch ist in unsere Heimatprovinz Rio Negro eigentlich verboten.
Lamazucht für dicke Pullis
Weiter führt uns der Weg durch Ascochinga, und langsam schraubt sich die Passstrasse die Sierra Chica empor. Auch wieder alles Naturstrasse, aber durch die sintflutartigen Regenfälle fühlt es sich an, als ob man auf einer Säge fahren würde. Neben weidenden Rindern und vereinzelt frei laufenden Pferden begegnen wir auch einer Herde Lamas (diese aber schön eingezäunt).
Zucht-Lamas (Bild: Ueli Bugmann)
Es ist eigentlich keine typische Gegend für Lamas, die sind eher in den Anden daheim. Sie werden wegen der feinen Wolle gehalten, die für Ponchos, Strickjacken oder Pullover verwendet wird. Die Ponchos werden je nach Wollqualität auf einem Webstuhl so dicht gewebt, dass sie den Regen nicht durchlassen. Leider muss man diese Qualität aber lange suchen.
Auf zum Condorhorst
Später geht es auf einer plattgewalzten Erdstrasse rasant den Pass herunter und weiter auf der gepflasterten Strasse nach La Falda und Villa Carlos Paz. Mit meinen Eltern war ich vor etwa 40 Jahren zum letzten Mal in dieser Gegend. Sie ist nicht mehr wiederzuerkennen, alles ist überbaut. Die Gegend ist Ferienziel der «Porteños» (so werden die Einwohner der Hauptstadt Buenos Aires genannt) welche hier zum ersten Mal kleinere Berge, Bergbäche, Seen und kleine Wasserfälle sehen. Es herrscht ein grosser Touristen-Rummel und wir verlassen schleunigst die Gegend. Über die Sierra Grande fahren wir Richtung Mina Clavero nach Traslasierra (hinter der Sierra). Eine sehr schöne Gegend, nicht sehr bekannt. Über dem Pass hat sich leider Nebel gebildet und es regnet leicht. Ein etwas schwieriges Unterfangen, denn viele Autos fahren ohne Licht, den Automobilisten fehlt oft die Erfahrung, sich auf einer Passstrasse zu bewegen. Da werden Kurven geschnitten, es wird an den unmöglichsten Stellen überholt usw. usw. Aber hier befindet sich auch ein wunderbarer Nationalpark, der Parque Nacional «Del Condorito» - benannt nach dem Condor, dem König der Berge. Der Condor ist einer der grössten Vögel der Welt, seine Flügelspannweite beträgt bis zu 3 Meter. Er ist ein Aasfresser, jagt aber auch lebendige Tiere. Durch seine Flügel ist er ein perfekter Segler, er hat scharfe Augen, mit denen er auch die kleinsten Tiere aus hoher Höhe erspähen kann. Eigentlich ist er in den hohen Anden daheim, aber er wurde zu Gunsten der Schafzucht stark dezimiert. Hier ist er geschützt und kann sich natürlich entfalten. Wenn man gut zu Fuss ist, kann man mit einem Führer die Felsen aufsuchen, wo er nistet. Mit etwas Geduld kann man seine Kreise am Himmel aus aller Nähe verfolgen.
Auf Besuch bei unserem Hauseigentümer
Es geht weiter durch die Pampa de Achala hinunter und wir landen im Traslasierra-Tal. Hier gibt es viele Heilquellen, Nuss- und Olivenbäume. Es ist ein ruhiges und fruchtbaresTal neben der Sierra Grande, entlang der im Süden liegenden Grenze zur Provinz San Luis. Wir übernachten dort bei Tato Grizutti in Villa las Rosas. Tato ist der Eigentümer des Hauses, in dem wir in Bariloche leben. Einerseits zog es ihn in die Wärme zurück, andererseits konnte er dort auch ein Stück Land seiner Familie erben. Ausserdem leben seine beiden Kinder in der Stadt Cordoba. Seine Frau Maria Tsiapras hat uns den Anfang in Bariloche erleichtert und uns mit Rat und Tat unterstützt. Maria stammt aus einer griechischen Familie und so freuen wir uns riesig auf ihre Mezze, die sie vorzüglich zubereitet. Da dürfen keine eigenen Oliven fehlen und natürlich gehören eigenes Olivenöl, eingelegte Tomaten, Zuchetti, fetaähnlicher Käse und Auberginen dazu. Nur schon das selbstgebackene Brot ist diesen Abstecher wert (logischerweise auch ihre sagenhafte Gastfreundschaft).
Tato und Miriam beim Kosten der Nüsse (Bild: Ueli Bugmann)
Am nächsten Morgen müssen wir unbedingt Tatos kleine Estancia von etwa 35 Hektaren anschauen. Etwas abseits des Haus besuchen wir das Stück Land. Von dort aus hat man einen wunderschönen Ausblick auf den Cerro Champaqui, mit seinen 2790 m der höchste Gipfel der Sierra Grande. Tato hat unter den vielen Nussbäume alles abgeholzt, einen Teil der Erde plattgewalzt und einen kleinen Weinberg angepflanzt, der durch eigenes Quellwasser bewässert wird. Der Rest ist ein undurchdringlicher Naturwald von «Espinillos», einem etwas kleineren Baum mit grossen Stacheln, der die ganzen Berge entlangwächst, und sie beinahe unpassierbar macht.
Oktoberfest in Villa General Belgrano
Gegenüber der Sierra befindet sich Valle de Calamunchita, eigentlich der Haupttouristenort von Cordoba. La Cumbrecita, Ausgangsort von Wanderungen auf den Cerro Champaqui, ist sehr Deutsch angehaucht mit seinen Kaffeestuben, Deutschen Kuchen und wenige Pensionen. Ideal für Leute, welche die Ruhe suchen. Etwas bewegter geht es in Villa General Belgrano zu. Dort wird die «Fiesta de la Cerveza» immer im Oktober gefeiert. Richtig: ein Oktoberfest mit allen drum und dran. Es zieht viele Einheimische an, die sich an den typisch bayrischen Spezialitäten wie Sauerkraut, Rippchen und Bretzeln laben. Natürlich darf das «Mass Bier» nicht fehlen - ganz wie am Oktoberfest in München. Zum Tanz werden sogar Musik und Schuhplattler aus Übersee eingeflogen oder Tanzgruppen aus den deutschen Kolonien in Argentinien engagiert.
Die Geschichte von Villa General Belgrano geht auch auf den zweiten Weltkrieg zurück. Im Dezember 1940 war im Rio de la Plata das deutsche Kriegsschiff Graf Spee aufgetaucht, verfolgt von der britischen Marine. Die Graf Spee war stark beschädigt und suchte Zuflucht im neutralen Hafen von Montevideo. Wie in solchen Fällen üblich wurde der Aufenthalt nur befristet erlaubt. Die weitere Geschichte lässt sich nachlesen unter Hans Langsdorff und Graf Spee. Später beging der Kapitän Langsdorff in Buenos Aires Selbstmord. Ein Denkmal im deutschen Friedhof in Chacarita Buenos Aires erinnert an ihn. Die Mannschaft wurde nach Cordoba verfrachtet und liess sich in Villa General Belgrano nieder
So, jetzt bin ich etwas abgeschweift, aber ich glaube, das erklärt das Oktoberfest und die Geschichte dieser Stadt. Nach einem ausgiebigen Mittagessen, es gibt noch viele Mezze vom Abend vorher, machen wir uns auf zur letzten Etappe Richtung Heimweg.
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Weiterführende LinksÂ
(393) Und täglich grüsst das Murmeltier
Colonia Caroya Â
(386) Reise nach Misione
Parque Nacional «DelCondorito»
Villa General Belgrano
Hans Langsdorff
Graf Spee
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