(395) Blochen nach Bariloche
Bis nach Hausen fehlen noch ein paar Kilometer (siehe vorhergehenden Bericht). Über Realico zum 600 km entfernten Santa Rosa versuchen wir noch vor Einbruch der Dunkelheit einen ersten Teil der Provinz La Pampa zu durchqueren. Nachts zu fahren ist nicht sehr lustig. Wenn man von einem entgegenkommenden Fahrzeug geblendet wird, ist es, wie wenn man in ein dunkles Loch fährt. Da manchmal Rinder, Pferde oder Wagen mit schlechter Beleuchtung unterwegs sind - an Pferdekarren ohne Licht wage ich gar nicht zu denken - muss man sehr aufpassen und demensprechend die Geschwindigkeit drosseln.
Lieber sicher und schnell als langsam und…?
Wir möchten in Santa Rosa übernachten und bestellen um 17 Uhr ein Zimmer in einem ACA-Motel. Der Concierge reserviert uns das Zimmer bis 21 Uhr. Falls es später werden sollte, sollen wir nochmals anrufen, denn er rechne nicht damit, dass wir vor 22 Uhr eintreffen würden. Als wir uns schon um 20 Uhr am Empfang melden, schaut er ziemlich komisch aus der Wäsche. Ob wir schon mal etwas von der Höchstgeschwindigkeit von 110 km/h gehört hätten?! Na ja, wenn die Strasse leer ist und noch Tageslicht herrscht, kann man ja ruhig mal die Pferdestärken spielen lassen und ein bisschen blochen. Oder nicht?
Im hauseigenen Restaurant essen wir, und als die letzten Gäste eintreffen, schlafen wir schon. Wegen seiner Lage ist das Motel begehrt, denn Santa Rosa liegt etwa auf der halben Strecke zwischen Buenos Aires und Bariloche.
Am nächsten Morgen machen wir uns nach einem ausgiebigen Frühstück schon früh auf den Heimweg nach Bariloche in Nord-Patagonien. Etwas mehr als 800 Kilometer haben wir noch vor uns.
Ein Bisschen Argentinien
Da wir gut vorankommen, machen wir noch einen Abstecher ins Valle del Rio Negro, das lange als südlichstes Wein-Anbaugebiet in Argentinien bekannt war (inzwischen wurde es von einem neuen Gebiet unterboten, das noch südlicher liegt). Vor genau 100 Jahre hatte sich der aus Italien stammende Pionier Humberto Canale in General Roca im Alto Valle del Rio Negro niedergelassen. Heute wird die Kellerei von Guillermo Barzi, einem Enkel, bewirtschaftet. Ein paar Fakten: Die Firma wurde 1909 gegründet. Heute besitzt sie eine Fläche von 500 Hektaren, von denen 145 Hektaren dem Weinbau gewidmet sind. Auf den restlichen rund 300 Hektaren wurden Fruchtbäume gepflanzt - Äpfel, Birnen usw. Die Früchte werden in die halbe Welt verschifft, was ich selber bestätigen kann: Vor Jahren habe ich mir mal in Europa am Nordkap den Luxus geleistet, Birnen von ebendiesem Humberto Canale zu einem schweinehohen Preis zu erstehen. Aber als Heimwehargentinier habe ich sie doch sehr genossen, biss ich doch nicht nur in eine Birne, sondern auch in ein Stück Heimat.
Mit modernster Technologie werden 1′150′000 kg Trauben pro Jahr geerntet. 1′500′000 Flaschen Wein werden abgefüllt und im Keller lagern noch 3′200′000 Liter Wein in französischen und amerikanischen Eichenfässern - Spitzenweine von den Trauben Malbec, Merlot, Cabernet, Pinot Noire und anderen. Der für den Inlandbedarf gekelterte einfache “Vino de Mesa” lagert dagegen in riesigen Chromtanks. Die Weine werden in alle fünf Kontinente exportiert. Wer selber einmal das Gebiet erkunden will, findet im Web eine prägnante Routenbeschreibung der sehenswerten Gebiete in Neuquen und Rio Negro. Klar nehmen wir auch dort ein paar Kistchen mit!
Einmal durch alle Klimazonen und zurück
Ruhig fahren wir weiter, überqueren die Grenze zu Neuquen - zum Glück hat der “Salami-Schnüffel-Hund” seine Siesta - problemlos lassen uns die Gesundheitskontrolleure passieren und in Gedanken sehen wir uns schon am Abend vor dem heimischen Kamin gemütlich Wurst, Salami und Käsehäppchen essen, begleitet von einem guten Tropfen Wein.
Langsam kommen die schneebedeckten Anden näher, und bald erreichen wir die Bergstrecke nach Bariloche. Nach Confluencia geniessen wir die schöne Bergwelt mit ihren Flüssen und Seen. Letztes mal fuhren wir hier bei dichtem Schneetreiben im Dunkeln durch, doch jetzt legen wir im Valle Encantado einen Stopp ein und lassen die Landschaft auf uns einwirken, es lohnt sich.
Gegen halb acht erreichen wir Bariloche und werden freudig bis überschwänglich von der Hündin Chiara begrüsst. Nur Juampy, die Katze, schmollt. Vermutlich will sie sagen: “Was fällt denen eigentlich ein, so lange wegzubleiben…”
Hier schliesst sich auch klimatisch wieder der Kreis. Bei 5°C haben wir unsere Reise nach Misiones begonnen und nach zuerst 30, dann 42, gar 43 Grad im Norden sind wir wieder bei 5 Grad in Bariloche angekommen.
Natascha berichtet, dass alles in Ordnung sei, keine Einbrecher, nur ein paar Strompannen, sonst alles normal.
Juampy und Chiara haben lange Zeit
Juampy habe aber lange gebraucht, bis sie sich daran gewöhnt habe, dass wir nicht da waren und sei ruhelos nachts im Haus herumgelaufen. Sie sei erst in der letzten Woche zur Ruhe gekommen und habe zu Füssen Nataschas auf dem Bett geschlafen.
«Sekretärin» Juampy - zurück aus dem Schmollwinkel
beim gemeinsamen Bloggen (Bild: Ueli Bugmann)
Auch Chiara habe massenhaft Streicheleinheiten benötigt. Manchmal sei Natascha dabei von ihrer kleinen Schwester unterstützt worden und habe mit Chiara im Garten gespielt. Nur einmal habe es einen Zwischenfall gegeben. Als Natascha eine Pizza mit Gorgonzola gebacken habe und genau dann ans Telefon gerufen worden sei, sei wie von Geisterhand die Pizza verschwunden. Alles, was sie noch angetroffen habe, sei ein sich frech die Schnauze und Pfoten leckender Hund…
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Das Argentinische Tageblatt
Für alle, die deutschsprachige Informationen über Argentinien suchen, ein Hinweis von Careguide: Das «Argentinische Tageblatt» geht auf Schweizer Gründer zurück und wird in vierter Generation geführt. Die deutschsprachige Zeitung hat schon stürmische Zeiten erlebt und dabei immer eine eigenständige Position bewahren können, wie ein faszinierender Rückblick 2005 und die Jubiläumsausgabe 2009 zeigte.
Auswanderer Johann Aleman (1826 - 1893)
Aus dem heutigen Impressum:
«Das Argentinische Tageblatt erscheint samstags in Buenos Aires. Die Zeitung wurde von den Schweizer Einwanderern Johann Alemann und seinem Sohn Moritz aus Bern 1878 zuerst als “Argentinisches Wochenblatt” gegründet. Zusammen mit seinen anderen Söhnen, Theodor und Ernst, gründete der freisinnige Schweizer Journalist Johann Alemann 1889 das “Argentinische Tageblatt”. (…)
Die Zeitung fühlt sich auch nach vier Generationen dem im Impressum postulierten Grundsatz freisinnig-liberaler Tradition verpflichtet. In seiner über hundertjährigen Geschichte hat das Argentinische Tageblatt unzählige Stürme überwunden. Die Zeitung wurde mehrmals verboten, ihr Direktor des Landes verwiesen. Sie durchlitt einen Anzeigenboykott deutscher Unternehmen wegen ihrer republikanischen Einstellung. Bombenattentate auf den Verlagssitz und die Wohnungen der Herausgeber waren zeitweise an der Tagesordnung.»
Die digitale Ausgabe des Argentinischen Tageblatts ist im Web abrufbar.
Θ
Weiterführende Links
(394) Typisch Argentinien: Salami und a Mass Bier?
Blochen im Dialektwörterverzeichnis
400 argentinische Weinanbaugebiete
Humberto Canale
Weinstrasse Neuquen und Rio Negro Â
Confluencia   Â
Historischer Rückblick Argentinisches Tageblatt
Jubiläumsausgabe 120 Jahre Argentinisches Tageblatt 2009
Web-Ausgabe des Argentischen TageblattsÂ
17.12.2009 11:21
Guten Tag
Bei der Enkelin des Gründers des argentinischen Tageblattes hat mein Sohn 15 Monate gearbeitet und in der Zwischenzeit habe ich mich mit diesem wunderbaren Land ausgiebig befasst und es lieben gelernt!
21.01.2012 17:20
Hi, toller Post. Ich beschäftige mich mit dem selben Themengebiet und warte auf weitere Artikel dieser Art.