(361) Regen bringt Segen
Wie üblich gehe ich auch heute kurz vor sechs Uhr mit unserer belgischen Schäferhündin Araballa laufen. Schon gestern Abend sind schwarze Wolken am Himmel aufgezogen. In der Nacht haben heftige Winde am Blechdach gerüttelt und die Mangobäume im Garten geschüttelt. Ihre fast reifen, grossen Früchte sind jeweils mit einem Knall wie aus einem Karabiner aufs Dach geknallt.
Luftfeuchtigkeit der angenehmen Art
Heute früh nun riecht es schwer nach Regen - die Luft duftet förmlich nach dem ersehnten Himmelswasser. Auch unter dem Jahr herrscht hier eine oft recht grosse Luftfeuchtigkeit. Diese ist aber eher unangenehm und riecht leicht nach Moder oder Schimmel. Anders dieser Duft: Regen! Er ruft Erinnerungen wach - ein tief im Erfahrungschatz verwurzelter Duft. Es ist, wie wenn ich bei Schnupfen ein Tuch mit Eucalyptus vor die Nase halte: Die Nase wird frei - die Lungen füllen sich mit neuer Frische - das Atmen fällt klar leichter.
Einst in der Schweiz hatte dieser Duft eher eine andere Stimmung ausgelöst. Erinnerungen an tage- ja wochenlange Regenschauer, welche auf Gemüt und Leistung drückten, wurden wach. Hier aber bedeutet er Segen - vor allem für die Pflanzen, aber auch für Tier und Menschen. Denn ohne Wasser ist das Leben beschwerlich. So sehe ich jeden Morgen ganze Kolonnen von Frauen und Mädchen mit zum Teil riesigen Wassereimern, welche sie geschickt auf dem Kopf balancieren, meist mehrmals und oft einen langen Weg vom Brunnen zum Haus eilen. Trotz der mühsamen und schweren Arbeit meist mit einem anmutigen Lächeln auf dem Gesicht.
Nicaragua hat zwei Regenzeiten
Seit November ist kein Regen mehr gefallen. Die Bäche und die meisten Flüsse hier im Norden des Landes sind längst ausgetrocknet und auch die Brunnen haben kaum noch Grundwasser. So ist auch unser Zugbrunnen auf der Farm meist trocken, obwohl wir ihn in den letzten fünf Jahren nach und nach von 12 auf 18 Meter tiefer gelegt haben. Er liefert sonst den Jungpflanzen im Garten das so wichtige Nass und füllt den Tieren den Tränktrog. Auch die eben angeschaffte Elektropumpe läuft schon nach rund einer Stunde trocken und muss dann schnell abgeschaltet werden, damit sie nicht Schaden nimmt.
In Nicaragua sind zwei Regenzeiten üblich - die sogenannte “kleinere” von Mitte Mai bis etwa Juli sowie jene von Mitte August bis November. In letzter Zeit wird beobachtet, dass die kleinere Regenzeit immer weniger Niederschlagsmengen bringt. Und wenn dann endlich Regen fällt, dann meist in verheerenden Wolkenbrüchen. Die jährliche Niederschlagsmenge von 1000 bis 6600 mm fällt denn auch in nur wenigen Wochen.
Im April fällt eher selten Regen - und wenn, dann ein ganz leichter Sprühregen. Wenn dann ausnahmsweise Mal im April etwas mehr Regen fällt, nennen ihn die Einheimischen liebevoll „jocotero” - nicht zu verwechseln mit „jocote” - (lat.: Spondias purpurea) oder zu deutsch: Rote Mombinpflaume.
Sonnen- oder Regenschirm?
Heute aber ist es anders: Die dicken schwarzen Wolken liessen auf „richtigen” Regen hoffen. Und er kommt! Kaum habe ich etwa einen Drittel meines Morgenrundganges zurückgelegt, setzt er ein. Erst ein leichter Nieselregen, der aber schnell stärker wird und mich und auch den Hund innert wenigen Minuten duscht.
Ich schaue mich um: Die wenigen Menschen auf den Strassen gehen wie ich kaum beeindruckt weiter. Als sei nichts geschehen. Nirgends sehe ich einen Regenschirm - oder doch: Da kommt eine alte Frau mit einem Riesenschirm, unter dem Arm: Sie hat den offensichtlich nur dabei, um sich gegen die Sonne zu schützen, welche erfahrungsgemäss wenige Minuten nach einem jocotero wieder scheinen wird.
Und noch etwas fällt mir auf: Wenn ich zurückblicke, dann tauchen die überwiegend verkniffenen, leidenden und vergrämten Schweizer Gesichter vor meinem geistigen Auge auf, die ich auf hastenden Beinen und unter einem Regenschirm vorguckend in Erinnerung habe.
Hier aber strahlen die Menschen förmlich ob dem eher unerwarteten Himmelsnass! Auch in mir scheint eine Lerche ihr Lied zu trällern, eine Forelle Luftsprünge zu machen und mein Herz meinen sonst schon etwas müde gewordenen Beinen Flügel zu verleihen. Ich muss mich förmlich zwingen, nicht von einem Bein aufs andere zu hüpfen oder gar laut anfangen zu singen. „Alter Mann”, sage ich zu mir, “bleib auf dem Teppich” - oder genauer: auf der Strasse.
Auch wenn ich das Leben hier ab und zu als schwer empfinde, gibt es doch immer wieder Momente wie diese, in denen ich froh bin, den Schritt in die Fremde gewagt zu haben: Danke jocotero.
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08.06.2010 6:35
Dear Mr. Hanspeter: I would appreciate if you can call me at 88827325 or 86720095. I would like to learn about your Moringa Oleifera plantation in Ocotal, Nicaragua and how to cooperate with your endeavor.
Sincerely,
Jacobo Arguello