Eduard Meister
  2003 mit Ehefrau Milka nach Zentralserbien (SRB) ausgewandert.

(351) Heimweh?

2006 bat mich der frühere Arbeitgeber, für ein grösseres Neuprojekt für ein halbes Jahr nochmals in die Firma zu kommen. Wir wurden uns einig, und so reiste ich denn mit meinem Wagen - mit serbischen Kontrollschildern - in die Schweiz.

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Eine Autonummer, die schnell Vorurteile weckt (Bild: Eduard Meister)

Heimweh abgebaut bei so vielen Vorurteilen

Wenn ich früher Heimwehgefühle hatte, so wurden diese jetzt durch die Konfrontation mit Vorurteilen und teils polemischen Äusserungen stetig abgebaut.

Das begann schon an der Schweizergrenze in Chiasso. Lässig standen die Zöllner da und winkten Wagen um Wagen zügig durch bis… richtig: die serbische Nummer auftauchte. Rausfahren, Grosskontrolle. Der Zöllner behändigte Pass, Fahrerlaubnis, Kraftfahrzeugschein und begab sich ins Büro zum Computer. Man konnte fast seine Gedanken lesen: Warum wohnt ein Schweizer in Serbien wenn er nicht wegen illegalen Machenschaften in einen rechtsfreien Raum abgetaucht ist? Es gab aber nichts zu finden, alles war in Ordnung, und widerwillig gab er mir nach 20 Minuten Wartezeit meine Papiere zurück. Vor lauter Eifer über einen möglichen grossen Fischzug vergass er, nach irgendwelchen Waren zu fragen und liess mich fahren.

Filmreife Kontrolle

Dann gibt es ja noch die periodischen Polizeikontrollen, welche im Aargau besonders häufig sind, an denen ich natürlich nie unkontrolliert vorbeikam. Die Anrede der Beamten „sprechen Sie deutsch?” statt einem „grüetzi oder „guten Tag” kannte ich auch schon zur Genüge.

Eines Tages fuhr ich durch ein Waldstück zwischen Brugg und Villnachern, eine Strecke die sonst nur Ortskundigen bekannt ist und kreuzte einen Kleinbus des Grenzwachkorps. Jetzt lief alles kinoreif ab. Der Bus stoppte, drehte um, das Blaulicht wurde eingeschaltet zusammen mit der roten Hinweistafel „STOP”. Ich fuhr zügig weiter über zwei Aarestege bis zu den ersten Häusern von Villnachern und hielt erst dort an. „Warum haben Sie nicht sofort angehalten?” Ich erwiderte ganz ruhig: „Ich zog es vor mich nicht mitten im Wald zwei bewaffneten Beamten ohne Zeugen zu stellen, da ich Eure Vorurteile kenne, hier kann mich wenigstens jemand hören wenn ich um Hilfe schreien muss!” Kommentarlos nahm er die verlangten Papiere an sich ging zum Funk um alles zu überprüfen während sein Kollege mich zum Alkoholtest aufforderte. Weder das eine noch das andere ergab Anhaltspunkte für ein Vergehen, also wurde ich mit den Worten „Aber das nächste Mal halten Sie sofort an!” verabschiedet.

Nach Hause

Ich hatte über dreissig Jahre in Brugg gelebt, und da lernt man doch einige Leute kennen, auch solche, die man bei verschiedenen Gelegenheiten praktisch jede Woche trifft und eigentlich recht gut zu kennen glaubt. So einem begegnete ich nach drei Jahren wieder zum erstenmal in der Stadt und habe ihm fröhlich zugerufen. Er erkannte mich auch sofort und sagte: „Aha, auch wieder mal im Land! Wie geht es?”. Er machte nicht einmal Anstalten stehen zu bleiben und erwartete demzufolge auch nicht wirklich eine Antwort. Das hat mir ziemlich zu denken gegeben.

Ich war nach Ablauf des halben Jahres heil froh, wieder nach Hause fahren zu dürfen, und das ist doch bedenklich, sowas sagen zu müssen.

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