(118) Nach Kanada auswandern
Leben in Kanada. Viele haben davon geträumt. Einige tun es immer noch. Aber es ist schwierig geworden! Wer jung ist, eine gute Ausbildung hat und Englisch oder Französisch spricht, hat aber immer noch eine Chance. Für Pensionierte gibt es nur zwei Wege: In Kanada investieren oder von Verwandten in auf- oder absteigender Blutlinie “gesponsert” zu werden. Gegenwärtig sind etwa 38′000 Schweizer in Kanada. Hier an der “Sonnenschein-Küste” sind es lediglich eine Hand voll. Wir haben nur sehr lockeren Kontakt miteinander.
Der Versuch, uns jeweils am 1. August zusammen zu bringen, wurde von einer Schweizerin gestartet, schlief aber sogleich wieder ein; niemand übernahm im folgenden Jahr.
Das Merkmal der Einwanderer der ersten Generation, ob sie vor 40 Jahren oder wie wir vor 10 eingewandert sind, ist der Akzent. Man wird ihn nicht los. Selbst die Schweizer, die mit einem Partner aus der angelsächsischen Sprachgruppe verheiratet sind, haben beim Dialekt keinen Vorteil. Sie sprechen aber in der Regel besser Englisch.
Hier an der Küste haben wir Einwanderer keinerlei Nachteile. Wie es in den hektischen urbanen Zentren ist, weiss ich nicht.
In der Zeitmaschine 50 Jahre zurück
Ich habe immer noch den Eindruck, die Zeit sei an der Küste stehen geblieben. Vieles erinnert mich an die Schweiz vor 50 Jahren. Die Städter, die übers Wochenende hierher kommen, wundern sich immer wieder über die Gemütlichkeit, mit der alles abläuft. Und sie leiden unter unserer Fahrweise, die sie machmal fast wahnsinnig macht. Ja, es gibt die erfolgreichen Geschäftsleute auch hier. Und es gibt die Menschen, die auf die 06:20 oder die 08:20 Fähre gehen und in Vancouver arbeiten und gutes Geld verdienen.
Arbeit an der Küste findet sich hauptsächlich in der Baubranche, in der Holz- und Fischindustrie und in den beiden Papierfabriken. Aber ein Gutteil der Bevölkerung sind Pensionierte.
Bescheidenes Glück
Die Kanadier, die wir kennen, sind mit wenig zufrieden. Ein einfaches Haus zu erwerben ist auch dem weniger Verdienenden immer noch möglich. Ein altes Familienauto, ein “Buggy” (kleiner Lieferwagen) und ein altes Boot sind erschwinglich. Und das genügt vielen Menschen hier. Ein Dach über dem Kopf, eine Frau und zwei Kinder, etwas fischen und/oder jagen. Die meisten Menschen sind ausgeglichen und rundum zufrieden. Die nur zwei Wochen dauernden Ferien, ebenso wie die “langen Wochenenden”, die es im Sommer jeden Monat einmal gibt, verbringt man in der Natur, an einem der Seen an der Küste oder im Landesinnern der Provinz.
Aktiv nach der Pensionierung: freiberuflich…
Jeder versucht, im Laufe seiner Arbeitstätigkeit so viel wie möglich zu sparen; jeder möchte sich zwischen dem 55. Und dem 60. Altersjahr pensionieren lassen. Die entsetzliche Verschuldung, wie sie in den USA gang und gäbe ist, kennt man hier kaum. Da die AHV winzig und die Pension auch nicht gross ist, arbeitet man jetzt als “Freischaffender” und Selbstversorger weiter. Gegenwärtig werden überall in den Wäldern umgestürtzte Bäume zu Brennholz verarbeitet, entweder für sich oder für Dritte. Bis im Winter wird das Holz schön trocken sein und die Heizkosten fast auf Null bringen. Aber auch als Maler, Gärtner und “Mann für alles” kann man da und dort etwas verdienen. Viele Frauen betreuen Alte und verdienen sich so einen Batzen.
…oder freiwillig
Daneben machen Hunderte mit bei Dutzenden von wohltätigen Organisationen. Marta und ich fuhren ein paar Jahre als “Citizen on Patrol” jeden Monat einmal eine Nacht (Freitag- oder Samstagnacht 22 Uhr bis 2 Uhr früh) Patrouille mit unserem Auto. Man hört den Polizeifunk ab, vergleicht Autoschilder mit den als gestohlen gemeldeten und meldet der Polizei alles wichtige. Wir mussten aufhören, weil die Nachtsicht nachliess und damit das Fahren in der Nacht und im Regen zu mühsam wurde. Als Radioamateur stehe ich noch bereit für den Noteinsatz im nahen Schulhaus bei einer Katastrophe, zum Beispiel einem Erdbeben.